Ladenburg, 24. Dezember 2014. (red/pm) Prof. Dr. Hans-Peter Schwöbel ist Soziologe und Kabarettist. Als Weihnachtsgeschenk fĂĽr die Leser des Ladenburgblogs hat er einen Gastbeitrag verfasst: Es ist ein Loblied auf die Stadt, voller Wortgewalt und Eleganz, das wohl auch als laute Liebeserklärung zu verstehen ist.Â
Gastbeitrag: Prof. Dr. Hans-Peter Schwöbel
Wenn die Sonne hoch steht, können wir ihr nicht in die Augen schauen. Zu wild ihr Blick, zu streng ihr Befehl, die Augen niederzuschlagen. Wir können die Sonne nur aushalten, wenn ihr Licht auf Umwegen unsere Haut und unsere Augen erreicht.
Dies ist eine der wichtigsten Wirkungen schöner Häuser, verwinkelter Gassen, offener Wiesen, heller Felder, dunkler Wälder und spiegelnder Flüsse: Sie dämpfen das gewalttätige Feuer der Sonne, schaffen menschliches Maß und übersetzen ihre Botschaft in Farben und Formen, Bilder und Worte, die wir ertragen, verstehen und genießen können.
La Protection: roter Samt, warmer Backstein, Bronze
Harter, weißer Strahl, der uns erblinden ließe, wäre unser Auge ihm ungeschützt ausgesetzt, verwandelt sich am rau-samtenen Rotsandstein der St. Galluskirche in ein warmes Leuchten, das uns tröstet, wärmt und umhüllt.
Ebenso tausende Backsteine der Evangelischen Stadtkirche in Ladenburg. Wir begeben uns unter ihre Mauern und lassen sie auf uns wirken: fest, zuverlässig, warm, beruhigend,
harmonisch.
Du, ich liebe den Hag deines Hauses, den Ort, wo dein Ehrenschein wohnt.
Psalm 26, 8. (Ăśbersetzung Martin Buber, seinerzeit Heppenheim …).
Backsteine sind durchs Feuer gegangen und haben die Schrecken der Hölle in Geborgenheit verwandelt. Nur wenige Materialien vermitteln so wohltuenden Wärmestrom wie Backstein. Und: Kein Backstein gleicht völlig dem anderen. Backsteine sind Individualisten.
Aber sie sind es auf unaufdringliche, zurĂĽckhaltende Weise, nicht schrill, grell, vorlaut. Ein Backstein bezeugt die Einmaligkeit aller seiner BrĂĽder. Terrakotta: Obhut und Schutz bietende Gegenkraft gegen die Verheerungen des Krieges.

Foto: Hans-Peter Schwöbel.
Auch Ladenburg war gemeint mit dem Befehl: „Verbrennt die Pfalz!“ und ward verbrannte Erde. Gegen solchen Fluch gibt es seit dem Sommer 2005 ein wirksames Amulett, einen Talisman aus Bronze: ‚La Protection’.
Von diesem mächtigen Schutz-Zauber als Totem der Freundschaft und Liebe geht ein starkes Tabu aus gegen den Hass. Zivilisation – Stadt – Ladenburg!
Auf dem alten Markt
Im Brunnen speien Fische Wasser ins Wasser. Murmelnder Wohlklang umschirmt uns. Ăśber einem Balken aus gelbem Stein schwebt Anmut Maria.
Genau in der Mitte zwischen zwei Fachwerkhäusern hält sie Balance. Gelungene urbane Ästhetik: Einheit nicht in der Einfalt, in der Vielfalt suchen! Alles ist verschieden und passt genau deshalb zusammen. Schalom, Europa!

Foto: Hans-Peter Schwöbel.
Wir kommen von weit Höhlenmenschen sind wir und Nomaden offener Savannen. In dunkle Gewölbe von Kirchen und Kneipen zieht es uns ebenso wie an die Ufer ingwerfarbener Weizenfelder.
Wir steigen aus dem Wasser, kriechen aus der Erde, klettern von den Bäumen, landen aus der Luft. Deshalb duftet uns Erde so gut, deshalb lieben wir den Fluss als nimmermüden Begleiter, deshalb erkennen wir in den Bäumen unsere großen Brüder, deshalb macht uns frische Luft glücklich.
Und verachtet das Gras nicht und nicht die Blätter! Vermögen sie doch den stechenden Blick der Sonne zu verwandeln in grüne Liebkosungen, in die wir gleiten und deren Anblick uns heilt von Niedergeschlagenheit und Angst.
All dies finden wir in Ladenburg. In den StraĂźen nicken uns Sonnenblumen zu. Wir lĂĽpfen den Hut und grĂĽĂźen zurĂĽck:
Gehabt Euch wohl in dieser Stadt, Ihr Menschen- und Sonnenschwestern, Wir wünschen Euch einen schönen Sonnen-Tag!
Sie wenden ihre Gesichter und schauen uns nach. Schwarze Pflaster-Wege liegen zu unseren FĂĽĂźen, graue, gelbe und rote. Alle fĂĽhren durch Ladenburg und finden sich wieder.
Ovum
Wir stehen in einem Korb aus Weidengeflecht. Ein Heißluftballon trägt uns über die Stadt. Wir sehen ihr Herz: mittelalterlich, zeitlos, oval – Leben. Wir fahren auf Luftbergen, höher als die Kämme des Odenwaldes und der Hardt.
Von hier aus erscheinen wir Menschen so klein, wie wir wirklich sind. Hoffentlich vergessen wir das nicht, wenn wir heimkehren von der Fahrt durch die Gebirge aus Wind.
Und: Ladenburg ist keine Steinwüste, sondern Dorf, Haus, Heimat, Grund, Grün – fast wie eine Stadt aus einem Kinderbuch.
Wenn Nils Holgersson auf dem weißen Halse Akka von Kebnekajses eines schönen Tages diese Region überfliegen und Ladenburg entdecken wird im grünen Fell der Kurpfalz, wird er landen mit seinen Wildgänsen und bleiben für eine gute Weile. Ob wir ihn erkennen werden?

Foto: Hans-Peter Schwöbel.
Unser Lieblingsplatz am Wilden Kerl, dem braven Stark ist unsere Sehnsucht nach Wasser und Licht – Erbschaft der Evolution.
Uns zieht’s zu Burys Sicht-Steg am Neckar. Unserem Heimweh wachsen Flügel:
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Sur le pont d’Avignon
L’on y danse, l’on y danse
Sur le pont d’Avignon
L’on y danse tous en rond…
Die Sonne steht tief, es abendet ehe es nachtet. Der Sonne Mittagszorn ist erloschen. Sie blickt nun auf uns, ihre ungebärdigen Kinder, mit Zuneigung und Nachsicht.
Ehe sie sich mit lautlosem Knistern in den Pfälzer Wald schmiegt, wirft sie ein breites Lichtband über den Wilden Kerl: Flüssiges Gold vor unseren Augen – echt und viel wertvoller als je ein Gold, das den Göttern der Azteken entrissen oder am Klondike, Jenissei und Amazonas geschürft wurde.
Wir legen uns den goldenen Licht-Schal als Tallit um die Schultern und wenden uns nach Osten: Ladenburg, Lobedenburg, Lopodunum, Lopodunon leuchtet.

Foto: Hans-Peter Schwöbel.
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