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Ladenburg, 24. Juli 2010. Die Jahreshauptübung der Freiwilligen Feuerwehr galt einem der schwierigsten Objekte in der Stadt: Der neuen Martinsschule. Nicht die Brandbekämpfung ist hier die größte Herausforderung – es sind die vielen jungen Menschen, oft mehrfachbehindert, die meisten Rollstuhlfahrer, die im Ernstfall gerettet werden müssen.
Von Hardy Prothmann
Einsatzleiter Ralf Tiemann rückte mit einer Mannschaft aus 35 Feuerwehrfrauen und -männern an. Brandalarm. Schwelbrand in der Holzwerkstatt der Martinsschule.
Vor Ort verschafft er sich einen Überblick – Hausmeister Friedrich Dell begleitet ihn und gibt ihm alle relevanten Informationen. Informationen sind überlebensnotwendig. Wo ist wer und was? Es gibt 32 Klassenzimmer und 16 Aufenthaltsräume – es ist ein großes, weitläufiges Gebäude.

Voller Einsatz: Immobile Person wird gerettet. Bild: ladenburgblog.de/Robin Birr
Zwei Löschgruppenfahrzeuge und ein Tanklöschfahrzeug mit 2.500 Litern Wasser rücken an. Während die Schläuche ausgerollt und verbunden werden rücken Atemschutzgeräteträger vor. Bereits im Gang bewegen sie sich am Boden – stehend könnten sie im Qualm nichts sehen und wären orientierungslos.
„Unsere primäre Aufgabe ist die Menschenrettung.“ Josef Karlberger
In der Holzwerkstatt treffen sie auf mehrere SchülerInnen – gespielt von Mitgliedern der Jugendfeuerwehr. Alle sind hilflos – können sich nicht alleine bewegen und in Sicherheit bringen. Die Feuerwehrleute stülpen den in Not Geratenen „Fluchthauben“ über – eine lebenssichernde Maßnahme. Von der anderen Seite arbeiten sich die Löschtrupps vor. Ein kraftvoller Ventilator kommt zum Einsatz, um den Qualm zu vertreiben.
Zu viert schaffen die Feuerwehrleute Mensch für Mensch aus dem Raum, manche im Rollstuhl, anderen müssen sie schleppen. Die Arbeit geht an die Belastungsgrenze – auf dem Boden robben die Feuerwehrfrauen und -männer und ziehen die SchülerInnen aus der Gefahrenzone. Draußen warten die Johanniter, um die Menschen sofort notärztlich zu versorgen.
190 behinderte Kinder befinden sich unter der Woche in der Martinsschule. Dazu 170 Bedienstete. 120 Kinder sind mehrfachbehindert, 150 sitzen im Rollstuhl.

Notärztliche Versorgung. Bild: ladenburgblog.de
„Unsere primäre Aufgabe ist hier die Menschenrettung“, erläutert Josef Karlberger, der stellvertretende Kommandant, den Einsatz: „Die Martinsschule ist durch die besondere Situation der Menschen für uns tatsächlich keine einfache Aufgabe, sondern ein schwieriger Einsatz.“
Für 35 der insgesamt 87 Aktiven der Freiwilligen Feuerwehr Ladenburg ist dieser Einsatz die diesjährige Jahreshauptübung. Erfahrene Feuerwehrkollegen arbeiten mit noch nicht so erfahrenen zusammen – im Ernstfall müssen alle funktionieren. Dann gibt es keine Diskussionen oder den ein oder anderen Hinweis, dann gibt es Kommandos, dann müssen die Handgriffe sitzen, dann gilt es, volle Leistung zu bringen und Leben zu retten.
Enorme Belastung.
Die Atemschutzgeräte zischen, der Inhalt der Flaschen wird kontrolliert – je nach Belastung geben diese für 20 bis 30 Minuten Sauerstoff. Die „volle Montur“ der feuersicheren Kleidung, Helm, Atemschutzgerät, sonstige Ausrüstung – selbst eine Übung ist schon eine immense körperliche Belastung. Im Ernstfall muss nicht nur der Körper mitmachen, sondern auch die Nerven.
Jede Übung macht Abläufe „selbstverständlicher“ – Routine braucht keiner. Routine ist eher gefährlich. Denn Routine gibt es nicht. Jeder Einsatz ist anders – die Feuerwehrleute müssen verstehen, was sie wann wie tun.
Rund eine halbe Stunde dauert die Jahreshauptübungin der Martinsschule. Feuerwehr-Chef Bürgermeister Rainer Ziegler beobachtet den Einsatz, rund 30 BürgerInnen, Bedienstete der Schule, Stadträte und natürlich Mitglieder der Unterkreiswehren aus benachbarten Orten. Auch sie lernen von ihren KameradInnen – zwar gibt es Standards bei Einsätzen, aber wie gesagt, jeder Einsatz ist anders und die praktische Erfahrung unersetzlich.
Alle Erfahrung, alle Ausrüstung ist nichts gegen die Kameradschaft – im Ernstfall müssen sich die Feuerwehrleute auf „Leben und Tod“ aufeinander verlassen können, auch ihr eigenes Leben dem Können der anderen anvertrauen. Nur im Team ist eine Feuerwehr wirklich „einsatzbereit“.
Diese Gemeinschaft wird traditionell nach der Jahreshauptübung in einer gemeinsamen Runde gefeiert. Kommandant Harald Lange begrüßt die Gäste und anderen Wehren wie auch Bürgermeister Rainer Ziegler, der den Anwesenden, auch Polizei und Johannitern dankt und den Einsatz lobt: „Im Ernstfall wird hier Menschen geholfen, die durch ihre besondere Lage am meisten auf unsere Hilfe angewiesen sind.“ Und er erinnert an seinen Vorgänger, Rolf Reble, der Ziegler ins Stammbuch zur alten Martinsschule geschrieben habe, „dass die baulichen Gegebenheiten zu gefährlich für alle sind, die sich dort aufhalten.“

Kameradschaft - Wehren, Polizei, Johanniter, nur gemeinsam ist Rettung möglich. Bild: ladenburgblog.de
Das ist Geschichte, der Neubau ist natürlich auch nach neuesten brandschutztechnischen Kriterien entwickelt worden, doch es gibt immer etwas zu verbessern: „Heute wurde klar, dass noch ein Orientierungssystem fehlt, das muss nachgebessert werden.“
„Unser Dank gilt ihrem besonderen Einsatz.“ Kurt Gredel
Axel Schuh, stellvertretender Kreisbrandmeister lobt den „sehr hohen Ausbildungsstand und den gelungenen Ablauf“ und informiert den Bürgermeister, dass es vor einigen Tagen eine Begehung im Vorfeld der Übung gegeben habe, bei der dieser Mangel schon entdeckt worden sei und dessen Abhilfe bereits in Arbeit sei.
Der Rektor Kurt Gredel sagt in seiner ihm eigenen herzlichen Art: „Ich möchte den Dank aller Kinder, der Eltern und der gesamten Schulgemeinschaft für diesen „Einsatz“ aussprechen. Wir haben besondere Kinder und Sie setzen sich dafür besonders ein. Dafür sind wir sehr dankbar.“
Im Herbst wird es wieder eine Übung geben – während des Schulbetriebs. Das wird eine große Herausforderung werden – für die Schülerinnen, das Personal und die Feuerwehr. Aber auch eine sehr sinnvolle.
Viel Freude mit unseren Fotos.
Alle Fotos: ladenburgblog.de/Robin Birr
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