
Ausstellungseröffnung "Atelier und KĂŒnstler" in der Martinsschule.
Ladenburg/Hirschberg/Rhein-Neckar, 08. MĂ€rz 2011. (red/sap) Am Sonntag startete zum 23. Mal die Ausstellung âAtelier und KĂŒnstlerâ zur Kreiskulturwoche, und zwar diesmal mit einer Doppelausstellung in Ladenburg und Hirschberg. Möglich macht es das im vergangenen Jahr entwickelte Ausstellungskonzept, das den individuellen KĂŒnstlerpersönlichkeiten gröĂerer Raum zur Darstellung gibt.
Von Sabine Prothmann
Acht KĂŒnstler, die nicht unterschiedlicher sein könnten, zwei Orte, die eine ganz unterschiedliche AtmosphĂ€ren vermitteln.
Die Ladenburger Martinsschule ist ein Vorzeigeobjekt, kĂŒnstlerisch, architektonisch, menschlich – sie wurde vor zwei Jahren eröffnet.
In der Martinsschule werden ganz besondere Kinder unterrichtet, es sind körperbehinderte Kinder, sie sind SchĂ€tze, wie der Schulleiter Kurt Gredel in seiner BegrĂŒĂung betonte.
Zehn Kinder stehen oder sitzen in ihren RollstĂŒhlen auf der BĂŒhne, es sind die âCrazy SchĂŒlersâ, die Schulband. Sie umrahmen mit ihren Songs die Ausstellungseröffnung â es ist ein ganz besonderer Moment.

Schulband "Crazy SchĂŒlers".
Kurt Gredel erzĂ€hlt wie dieser Tage die Kunstobjekte gebracht und aufgebaut wurden. Wie die KĂŒnstler ihre Kostbarkeiten enthĂŒllten und wie besonders sie hier an der Martinsschule empfangen wurden.
In seiner BegrĂŒĂung schlĂ€gt er die BrĂŒcke von der Kunst zu den Kindern, die hier unterrichtet werden, zu den ganz besonderen SchĂ€tzen, die âanders sind als normalâ in einer Welt des Normalen, die wertvoll sind, um die man sich kĂŒmmern muss, bei denen man noch nicht weiĂ, wohin sie sich entwickeln.
âEntdecken, sich auseinandersetzenâ – Gredel spricht von seinen SchĂŒlern und er spricht von der Kunst der vier regionalen KĂŒnstlern, die hier jetzt ausgestellt werden.
„Kunst und Martinsschule passen gut zusammen“
âKunst ist das ganz andere, es ist das Entdecken des ganz anderen in der Welt der NormalitĂ€tâ, sagt Gredel.
Deswegen passen Kunst und Martinsschule gut zusammen.
Das Foyer der Martinsschule ist gut gefĂŒllt, die Menschen, die hier versammelt sind, achten die SchĂŒler und die Kunst.
Auch BĂŒrgermeister Rainer Ziegler freut sich hier begrĂŒĂen zu dĂŒrfen, nicht als Hausherr, aber als BĂŒrgermeister der Stadt.
Ziegler erinnert an die 1. Kreiskulturwoche, die am 4. MĂ€rz 1990 im Domhof Premiere gefeiert hatte.
Kunst und Rhein-Neckar-Kreis sei eine groĂartige VerknĂŒpfung. Doch es brauche Strukturen, um dies zusammenzubringen und entsprechende Signale. In Ladenburg beginne sich ein Kunstverein zu bilden, das sei hervorragend, denn Ladenburg sei ein Ort der Kunst:
Kunst in der Martinsschule ist Kunst in einem Kunstwerk.
Die Ludwigshafener Kunsthistorikerin Barbara Auer hĂ€lt die EinfĂŒhrung zu der Ladenburger Ausstellung und erzĂ€hlt von den vier KĂŒnstlern, die hier ihre Kunst zeigen.
Es sind: Elsa Becke aus Heidelberg, Cholud Kassem aus Heidelberg, Wolfgang Blanke aus Kuhardt und Siegfried ReiĂing aus Ladenburg.

Schwebende PostkartenhÀuschen in Hirschberg.
Siegfried ReiĂing stellt Fotografien aus. Er reduziere die Architektur auf die Geometrie, auf die Linien. Er arbeite im Geiste des Konstruktivismus. Die Farbpalette ist minimalistisch, die Architektur erkennt man nicht mehr, es sind Ausschnitte, Lichtblicke, Farben, so Barbara Auer.
Die Heidelberger KĂŒnstlerin Elsa Becke ist Fotografin und Malerin. In der Martinsschule werden nur ihre Fotografien gezeigt. Es sind Foto-Paintings, es geht um RĂ€ume, vom AuĂenraum zum Innenraum.
Distanz im alltÀglichen Treiben
Der Maler Wolfgang Blanke hat eine ganz besondere Art, seine Farben an zu mischen. Emulsion und Farbpigmente werden auf der Leinwand aufgetragen. Er modeliert mit dem Pinselstrich, Farbschichten werden ĂŒbereinander gelegt.
Er malt Szenen aus dem Alltag, wo sich Menschen begegnen. Es sind vertraute Situationen, aus der Vogelperspektive betrachtet. Damit schafft er eine groĂe Distanz zum alltĂ€glichen Treiben.
Die Bilder sind lichtdurchflutet und haben etwas momenthaft FlĂŒchtiges.
Mit âKleidchen und GewĂ€nderâ sind die Arbeiten von Cholud Kassem ĂŒberschrieben. „Der Mensch existiere nicht, ist aber dennoch anwesend“.
Es sind die Kleidchen von kleinen MĂ€dchen, GewĂ€nder von geistigen WĂŒrdetrĂ€gern. GewĂ€nder fĂŒr einen rituellen Zweck, fĂŒr die christliche Taufe, fĂŒr ein Bar Mizwa â die KĂŒnstlerin lĂ€sst alles offen.
Zarte Pastelltöne werden auf Fotokarton gebracht. Ganz viele Malschichten werden aufgetragen bis sich die Formen zeigen. Kassem gebe sich der Malerei ganz hin, sagt Auer. Das Motiv schÀle sich heraus, kantig und steif.
âIhr seid das Synonym fĂŒr gelebtes Miteinanderâ.
Landrat Stefan Dallinger eröffnet die Ausstellung. Er begrĂŒĂt die âCrazy SchĂŒlersâ, âdas hier ist ein megacooles Festâ, sagt er zu der Band gewandt. Die Jugendlichen strahlen, denn sie sind bedeutend, sie haben ihren Teil beigetragen an diesem besonderen Tag, bei dieser Eröffnung. Er habe die âCrazy SchĂŒlersâ schon gehört, âich war hier schon sieben Mal zu Gast und ihr werdet immer besserâ:
Ihr seid das Synonym fĂŒr gelebtes Miteinander.
Auch Dallinger erinnerte an die 1. Ausstellung der Kreiskulturwoche im Ladenburger Domhof:
Ich hĂ€tte mir kaum einen besseren Ort fĂŒr den Auftakt der Ausstellung vorstellen können.
Sein besonderer Dank galt Dr. Hans-JĂŒrgen Buderer, Direktor Kunst- und Kulturgeschichte an den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim. âEr war der Spiritus Rektor der neuen Idee.â
Vier Sammlerinnen in der Hirschberger Rathausgalerie
Szenenwechsel, ein paar Stunden spÀter wird an einem anderen Ort, in der Rathausgalerie in Hirschberg, eine zweite Ausstellung eröffnet.
Vier KĂŒnstlerinnen prĂ€sentieren ihre Installationen und gehen einen Dialog ein mit dem Raum. Es sind: Angelika Dirscherl aus Heidelberg, Andrea Niessen aus Speyer, Christine Fischer aus Ludwigshafen und Ulrike Thiele Mosbach.
Die âAnonymen Saxophonistenâ von der Weinheimer Musikschule umrahmen musikalisch die Vernissage. Das ist richtig gut.
Mit dem Hölderlin-Zitat âLern im Leben die Kunst, im Kunstwerk lerne das Leben! Siehst du das eine recht, siehst du das andere auchâ beginnt BĂŒrgermeister Manuel Just seine BegrĂŒĂung.
Hirschberg sei die heimliche Hauptstadt des Rhein-Neckar-Kreises, meint Just und zwinkert, denn schlieĂlich wohne Landrat Dallinger im Ortsteil GroĂsachsen.
Bewusst karg ist die Rathausgalerie: Holzbalken, weiĂe WĂ€nde, Estrich. Der Raum tritt zurĂŒck fĂŒr die Kunst:
Wir wollen der Kunst Raum einrÀumen.
âEs ist nicht hĂ€ufig, dass Kommunen Kunst anhĂ€ufenâ, sagt die Kuratorin Julia Philippi in ihrer EinfĂŒhrung. Das Rathaus sei ein Ort der Dienstleistung, offen fĂŒr BĂŒrger, ein öffentlicher Raum der Begegnung und sei ein Ort der Kunst.
Es wurden hier vier KĂŒnstlerinnen ausgewĂ€hlt, die das urweibliche verbindet: Die Frau als Sammlerin.
Angelika Dirscherl sammelt alles aus Papier. Postkarten gebaut zu kleinen HĂ€usern, die von den Balken im Raum schweben. Das Postkartenmotiv ist immer der gleiche Ort, aber zu unterschiedlicher Zeit. „Es ist ein gemeinsamer Erinnerungsort, es ist Heimat“, sagt Julia Philippi.
Metaphysische Wesen aus Stoff
Auch Christine Fischer sammelt. Sie sammelt Stoffe und textiles Gewebe. Es entstehen metaphysische Wesen, die sich in der Galerie verteilen. Es sind keine Kuscheltiere â die Formen sind fast unheimlich, bedrohlich.
Helle, leichte wĂŒrfelartige Gewebe schweben in der Luft â es sind die Kunstwerke der KĂŒnstlerin Andrea Niessen. Sie sammelt weibliche Haare. Mit Leim vermischt entsteht ein starkes Geflecht, hautĂ€hnliches Material. Kleine Holzstiegen ermöglichen das Hineintauchen in die Welt aus Transparenz und Haar. Ein Stock höher wachsen die Haare aus dem Boden.
Ulrike Thiele sammelt Holz, Kunststoff, Metall, Kabelbinder. Es sind AlltagsgegenstĂ€nde, die sie zu einem neuen Kontext verbindet, wie ihre Bodeninstallation „Kartenhaus“. Massive Objekte halten sich gegenseitig im Gleichgewicht und scheinen dann fast zu kippen.
„Wo ziehe ich die Grenze zwischen Ă€uĂerem und inneren Raum?“ Mit seiner raumgreifenden PrĂ€senz wird die Kunst nicht zum Gegenstand, sondern zum Erlebnis.
Die Kunst ist dort, wo sie uns ergreift,
sagt Philippi. So sind auch die Kunstobjekte dieser Ausstellung nicht in Reih und Glied aufgestellt. Sie haben ihre eigen Unordnung, der Betrachter muss fast drĂŒbersteigen oder hineinkriechen.
Landrat Stefan Dallinger schafft es auch hier wieder seine Eröffnung sehr persönlich zu gestalten.
Dallinger lobt den Kunsteinsatz seiner Heimatgemeinde, âes ist nicht selbstverstĂ€ndlich, dass so viel Kunst angekauft wirdâ, sagt der Landrat.
Er stellt die âAnonymen Saxophonistenâ aus Weinheim vor. Er wirkt persönlich, ungezwungen.
Das neue Konzept geht auf, der Start der Doppelausstellung war ein voller Erfolg. DafĂŒr verantwortlich sind KĂŒnstler und Macher, die Menschen im Hintergrund und im Vordergrund und die vielen Besucher. Es sind Kunst und Mensch hautnah.

Ausstellungseröffnung "Atelier und KĂŒnstler" in der Rathausgalerie.
Info: Die Ausstellung in der Martinsschule geht vom 04. MĂ€rz bis 06. Mai. Sie ist (auĂer in den Schulferien) geöffnet von Montag bis Donnerstag 09:00 Uhr bis 12.30 Uhr, Mittwochs von 15.30 Uhr bis 19:00 Uhr, und an den Sonntagen 11. MĂ€rz., 25. MĂ€rz., 22. April und 06. Mai, jeweils von 11:00 Uhr bis 14:00 Uhr.
Ab 2012 veranstaltet der Kreis nun keine groĂe Wanderausstellung mehr, vielmehr stehen nun spezielle Gruppenausstellungen mit wenigen KĂŒnstlern an ausgewĂ€hlten Orten im Fokus, an deren konzeptioneller Erarbeitung die KĂŒnstlerinnen und KĂŒnstler selbst zusammen mit den Kuratoren (den Mitgliedern der Jury: Barbara Auer, Ludwigshafen, Hans-JĂŒrgen Buderer, Mannheim, Hans Gercke, Heidelberg und Julia Philippi, Heidelberg) ganz unmittelbar beteiligt sind. Weitere Ausstellungsorte sind Eberbach, Sinsheim und Walldorf.
Von insgesamt 225 Kunstschaffenden aus der Metropolregion Rhein-Neckar, die sich fĂŒr das Projekt beworben haben, wĂ€hlte die Jury 17 KĂŒnstler aus.
Zur Rahmen 23. Kreiskulturwoche 2012 erschien der Band 8 des âAtelierfĂŒhrersâ. Der Kunstkatalog ist an jedem Ausstellungsort fĂŒr einen Unkostenbeitrag von 15 Euro erhĂ€ltlich. Er kann aber auch beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis ĂŒber Anja Sauer, Telefon-Nummer 06221/522-1356, E-Mail anja.sauer@rhein-neckar-kreis.de bestellt werden.
Viel Freude mit den Bildern!
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